Der Nahrungsmittelhandel ist ein hartes Geschäft. Stete Preiskämpfe sind an der Tagesordnung, die Supermärkte unterbieten sich wöchentlich. Kein Wunder also, dass neue Wege gefunden werden müssen, um Umsatz und Gewinn zu steigern. Eigenmarken spielen dabei im Produktmix einiger Supermärkte eine wichtige Rolle. Ich habe Vorbehalte gegenüber Eigenmarken. Aber woran liegt das? Eine Produkttest-Anfrage von real.- für die Eigenmarke real.- Quality hat mich über das Thema nachdenken lassen und ich wage den Versuch einer kritischen Erörterung.
Eigenmarken dienen meist einem Marketingzweck. Zunächst können es sich nur Unternehmen mit einer gewissen Marktpräsenz leisten, eine eigene Marke aufzubauen. Für diese Unternehmen kann ein solches Vorgehen aus verschiedenen Punkten sinnvoll sein:
- Das Unternehmen entzieht sich der Marktmacht diverser Markenhersteller
- Das Unternehmen differenziert sich über einen einzigartigen Baustein im Sortiment, den Kunden nur in den eigenen Supermärkten bekommen
- Erfolgsversprechend ist die Positionierung günstiger Produkte gegen teure Markenprodukte
- Eigenmarken dienen der Kundenbindung
- Eigenmarken suggerieren ein Image: “Bio” und “Qualität” sind oft benutzte Schlagwörter um den Zahn der Zeit zu treffen
Auch der Konzern real.- hat seine eigene Marke real.- Quality ins Leben gerufen und eine große Werbekampagne gestartet. In dem Zuge wurden auch viele Blogger angeschrieben, real.- Quality Produkte zu testen und anschließend darüber zu berichten. Einen reinen Produkttest kann ich nicht leisten, dafür gibt es die Spezialisten von der Stiftung Warentest oder dem Ökotest, die auf wissenschaftlicher Ebene Produkte auf deren Qualität überprüfen und fundierte Urteile fällen können. Die Urteile fallen mal gut, mal weniger gut aus – die Skala ist breit. Daher möchte ich mich der Erörterung der Frage widmen, was uns Eigenmarken oft suggerieren und was ich in der Marketingkommunikation oft vermisse.
Was mein Kaufverhalten beeinflusst
Wenn ich mein Kaufverhalten reflektiere, so stelle ich schnell fest, dass sich dieses über die Jahre verändert hat. Während ich früher nahezu ausschließlich in Supermärkten eingekauft habe, so achte ich mittlerweile genau darauf, welche Produkte ich erwerbe, woher sie stammen, was drin ist und wie und wo sie produziert wurden. Saisonaler und regionaler Einkauf sind wichtig geworden.
Einmal in der Woche werde ich von einem Biohof aus dem Nürnberger Umland beliefert. Mit frischen, regionalen Bio-Produkten. Was ich an dem Hof so liebe: alles ist jederzeit transparent. Denn der Hof stellt längst nicht alle Produkte selbst her, die er anbietet. Diese sind aber immer gekennzeichnet. Bezugsorte sind mit Adresse, Kontakt und wichtigen Hinweisen aufgeführt. Was passiert also, wenn ich diese Punkte mit der Marke real.- Quality vergleiche?
Vier Punkte für eine positive Kaufentscheidung
Vier Punkte sind mir im Bezug auf Lebensmittel und deren Vermarktung besonders wichtig:
Qualität der Zutaten
Ich erwarte hochwertige, gesunde Zutaten. real.- Quality suggeriert schon durch den Markennamen hochwertige Produkte. Unter Qualität verstehe ich frische, regionale Lebensmittel mit natürlichen Zutaten ohne Geschmacksverstärker, Zusatzstoffe oder künstliche Aromen. Diesen Punkt erfüllen nicht alle Produkte und ist auch der Grund, warum ich nicht vorbehaltlos jedes Produkt in meinen Einkaufswagen stellen werde.
Ethisches Marketing
Lese ich auf einer Verpackung “Festtags-Spekulatius mit feinsten Zutaten”, so erwarte ich in Anbetracht des Gebrauchs eines Superlativs sehr hohe Qualität. Wenn ich dann in der Zutatenliste einige Zutaten fast nicht aussprechen und ohne chemisches Vordiplom nicht näher bestimmen kann, so finde ich den Begriff “feinste Zutaten” durchaus etwas optimistisch gewählt.
Transparenz
Von einer Marke real.- Quality erwarte ich höchste Transparenz, woher die angebotenen Produkte stammen. Meist finden sich auf den Verpackungen nur Angaben, dass diese für real.- hergestellt wurden, manchmal findet sich klein im Eck das Produktionsland. Und meist ist Regionalität nicht gegeben (Warum kommen die Tomaten für die Dosentomaten aus Italien?).
Vertrauen
Durch gute Qualität der Zutaten, ethisches Marketing und Transparenz entsteht Vertrauen. Und Vertrauen ist das wichtigste Gut einer Marke. Und genau hier liegt mein Problem: Ich habe zu wenig Vertrauen in die Produkte.
Mangelndes Vertrauen hemmt meine Kaufentscheidung
Solange es mir an Vertrauen mangelt, dass die Produkte generell eine hohe Qualität besitzen, werde ich nur selten zu Eigenmarkenprodukten greifen. Meine Skepsis gegenüber der Nahrungsmittelindustrie werden auch Qualitätsoffensiven mit groß angelegten Bewertungsportalen nicht verändern.
Aus den real.- Quality Testprodukten habe ich ein schnelles Linsencurry zubereitet – aus Dosenlinsen (NIE wieder), Tomaten und Debreciner, abgeschmeckt mit Currypaste, Salz und Limettensaft. Das Ergebnis wird meine Sicht auf die Dinge nicht verändern.
wie so kaufst Du überhaupt im Supermarkt?
Hâtte ich Dir gleich sagen können, dass Dosenlinsen super schlecht schmecken!
Tut er das? Ich dachte die hätten eben Zeug zugeschickt…
Zum Test. Da muss ich größtenteils zustimmen. Das die Tomaten jetzt aus Italien kommen wird vielleicht auch den Grund haben das man als unbedarfter Bürger wohl annimmt die besten Tomaten kommen da her. Aber gut, sind wohl eben die günstigsten Lieferanten…
@Bolliskitchen
Dosentomaten sind nicht gleich Dosentomaten ;) Kauf dir mal gescheite San Marzano Tomaten und du wirst dich wundern ;) Ich würde jetzt keine Tomatensoße oder Bolognese mit frischen Tomaten kochen (außer ich hab nen Garten und verkoch die angedatschten)…
@Bolliskitchen: Die Linsen waren in dem Testpaket dabei. ich würde NIE Dosenlinsen kaufen. Never.
@Tom: Mir ist völlig klar dass industriell gesehen Regionalität nicht durchführbar ist, wenn man bundesweit die gleiche Marke verkauft. Aber ein wenig Luftschlösser malen und grundsätzlich an unserer Nahrungsmittelpolitik zu kratzen finde ich ganz nett :)
Ach mist, hab jetzt erst bemerkt das Bolliskitchen DosenLINSEN gemeint hat, dann nehme ich das natürlich zurück. Wenn man das kauft kommt man in die Hölle, wirklich…
@Uwe
Ja ist mir klar, es scheint sich über die letzten Jahre auch etwas in den Köpfen der Menschen geändert zu haben. Zumindest kommt mir das so vor.