Vom 18. bis 24. April berichte ich in täglichen Reiseberichten von meiner kulinarischen Entdeckerreise aus Singapur. Begleite mich durch die Straßen der Löwenstadt auf der Suche kulinarischen Highlights von Streetfood bis Fine-Dining.
Sonntag, 17.04.2016, 13:30 Uhr: Abflug
Die Kabinen-Crew begrüßt alle Passagiere des Singapore Airlines-Fluges freundlich und dirigiert mich zielsicher zu meinem Sitzplatz. Auch wenn das Platzangebot bei Langstreckenflügen etwas besser ist als bei kontinentalen Verbindungen, so bin ich dennoch froh, einen Platz mit mehr Beinfreiheit gebucht zu haben. Schließlich habe ich längere Haxen als Julia Roberts. Das Glück ist mir weiter hold: Der Platz links neben mir bleibt unbesetzt, rechts sind Fenster. Gerade befinde ich mich irgendwo über Ungarn und bin schon jetzt über die Kopfhörer mit „Noise Cancellation“ dankbar. Auf Knopfdruck lassen sich alle Umgebungsgeräusche ausblenden. Das Brummen der Motoren, das Kramen in Taschen, Kinderglucksen: Weg. Es fängt gut an.
Montag, 18.04.2016, 10:30 Uhr: Ein Spaziergang durch Tiong Bahru
Singapur grüßt mit 34°C und hoher Luftfeuchtigkeit, ich grüße mit Übermüdung und Augenringen zurück. In der Lobby meines Hotels treffe ich meinen Guide Dino, der mich die nächsten Tage durch die Löwenstadt führt. Mit dem Taxi fahren wir nach Tiong Bahru, einem momentan schwer angesagten Viertel mit Vergangenheit: Die britischen Kolonialherren der Upper Class errichteten die Siedlung in den 1930er Jahren, vornehmlich, um dort ihre Mätressen und Liebschaften unterzubringen. Was fasziniert: Für die 1930er Jahre weisen die Bauten eine durchaus moderne Architektur auf, die, vor ein paar Jahren aufwändig renoviert, nun viele solvente Neumieter anzieht. Tiong Bahru entwickelt sich seit ein paar Jahren zu einer Art In-Viertel. Überall sprießen Bäckereien und Cafés nach französischem Vorbild aus dem Boden, in dem trendig gekleidete Besucher ihren Latte Macchiato mit Sojamilch schlürfen. Zwischen den Cafés finden sich Designstudios, Gallerien und Buchläden. Alles in allem sieht das schon sehr nach Hipster-Alarm aus.
Und wirklich: Der Trend und Hype um Tiong Bahru lässt die Mieten steigen und alteingesessene Gewerbe verschwinden. Richtig authentisch wirkt das nicht auf mich, weswegen ein Besuch des Viertels eher aus historischen Gründen Sinn macht.
Chicken Rice im Hawker-Center
„Uwe, are you hungry?“ will Dino von mir wissen, und ich bin mir nicht sicher. Wir stehen in meinem ersten Hawker-Center, jenen Food-Courts, in denen sich Streetfood-Läden wie Perlen aneinanderreihen. In den Hawker-Centern schlägt die kulinarische Seele Singapurs, High-Heels treffen auf Flip-Flops.
Das Wort „hawker“ bedeutet „Straßenhändler“. Singapur war früher voll davon: Viele Händler verkauften ihre Waren von mobilen Karren, die sie je nach Bedarf von einem zum anderen Standort navigierten. Da die Mehrheit dieser Händler illegal das Gewerbe betrieb, entschied sich die Regierung vor vielen Jahren dazu, regulierend einzuschreiten. Sie holte die Händler von der Straße und damit aus der Illegalität, indem sie ihnen in den Hawker-Centern eine feste Bleibe verschafften. Damit endete das fortwährende Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei und die Singapurer waren um eine Institution reicher. Mehr als 100 solcher Center gibt es mittlerweile in der Stadt, viele davon besitzen eine gute Qualität.
In den Centern finden sich alle Nationalgerichte und eine breite Auswahl an zumeist chinesischen Gerichten. Die Chinesen stellen mit 70% die Mehrheit an der Bevölkerung, gefolgt von Malayen und Indern. So verwundert es auch nicht, wenn die chinesische Küche die Hawker-Center dominiert. Ich sehe vor allem Hühner und Enten, aber auch vereinzelt Rinder- und Fischgerichte.
Mein erstes Essen: Hainanese Chicken Rice, eines der Nationalgerichte. Was einst ein Arme-Leute-Essen war, ist heute eine geliebte Speise. Der Reis wird in Hühnerbrühe und mit einigen anderen Gewürzen gekocht, so dass er einen unglaublich aromatischen Geschmack bekommt. Ich denke, ich werde meinen Reis nun viel öfter in Brühen garen, denn das Geschmackserlebnis ist einfach unvergleichlich. Das Huhn wird im Ganzen mit Knochen langsam gekocht und anschließend rapide in Eiswasser abgekühlt. Dadurch bleibt es unglaublich zart, aber die Haut auch ungleich schwabbelig. Ich war sehr überrascht: Eine solche Textur kenne ich in Deutschland nur von Hühnchen, die sous-vide zubereitet oder sehr, sehr schonend gegart wurden. Lecker! Dazu reichen die Singapurer unterschiedliche Dips: Entweder eine verflucht scharfe Chili-Paste (Aua! Dino lacht immer noch…) oder süße Soja-Sauce, die gerne über den Reise verteilt wird. Die Brühe, in der der Reis gekocht wurde, gibt es mit ein paar Frühlingszwiebeln dazu.
„Soursoup Juice” zur Erfrischung
Dino sieht mich an, grinst, und sagt: „You are sweating, aren’t you? I get you a drink to cool you down. For better stamina. Wait here.“ Er steuert auf einen Stand zu, der anscheinend nichts anderes als frisch gemixte Säfte und Gemüsedrinks verkauft, spricht kurz mit dem Eigentümer und kommt mit einem Becher voller heller Flüssigkeit zurück. „Drink this, it’s Soursoup Juice.“ Nach etwas Recherche finde ich heraus, dass es sich dabei um eine Stachelannone handelt, die aus der Karibik in ähnliche klimatische Zonen geschwappt ist. Der Saft schmeckt angenehm sauer, gar nicht süß, sehr erfrischend und sorgt tatsächlich dafür, dass ich etwas weniger schwitze.
„Pulut Hitam“ als Nachtisch
Dino lässt sich nicht davon abbringen, mir seinen Lieblingsnachtisch zu servieren: „Pulut Hitam“ – eine Art Milchreis mit Kokosmilch. Als Basis dient schwarzer, nicht gemahlener „Glutinous Rice“, der mit dunklem Palmzucker, Kokosmilch, etwas Salz und Pandan-Blättern eingekocht wird. Ein Spritzer Kokosmilch zum Schluss sorgt für die Abrundung.
Auch hier hat mich erstaunt, dass das Gericht nicht zu süß war, sondern sehr angenehm ausgewogen schmeckte.
Auf Sightseeing entlang der Fullerton Heritage
Die „Fullerton Heritage“ liegt an der früheren „Waterfront“ und ist die ehemalige Pier-Anlage, über die ankommende Schiffe ausgeladen und rege Handel betrieben wurde. Die ersten Siedler nach der Kolonisierung durch die Briten ließen sich dort nieder und prägten das Gebiet architektonisch. Heute wurde das Meer weiter zurück gedrängt und neues Land aufgeschüttet, so dass die ursprüngliche Waterfront einer Bucht gleicht. Auf der aufgeschütteten Insel thront das Marina Bay Hotel, jener imposante Bau, auf dessen Dach ein großer Pool mit fantastischem Ausblick auf die Stadt und das Meer gebaut wurde. Zusätzlich findet sich dort auch der „Merlion”, jene Mischung aus Löwe und Meerjungfrau, die zum Wahrzeichen der Metropole geworden ist.
Gute Nacht.
Sehr schöner Bericht. Freu mich schon auf mehr. Ach ja, ein kleiner Untertitel (was/wo/wer) bei den (sehr schönen) Bildern wäre gut :-)
Gruß Michael
Hi Michael! Danke für den Hinweis mit den Untertiteln, es war gestern einfach zu spät. Ich hatte keine Lust mehr – mache ich bei dem nächsten Bericht, ok?
Ein sehr schöner erster Bericht. Danke dafür.
Lachen musste ich über das Hainanese Chicken; habe ich doch vor ein paar Tagen etwas im netz geforscht. Die geschätzte Frau Ziii hat es in ihrem Blog, mag aber keine Hühnerhaut. Ich schon. Und deshalb hat mich dieses Rezept der (für mich) grandiosen Petra Holzapfel sehr glücklich gemacht:
http://peho.typepad.com/chili_und_ciabatta/2009/06/huhn-mit-reis-und-saucen-nach-hainanart.html
Nun auf fröhliches Weiterlesen. Ich wünsche Dir schönste und genussreiche Tage.
Danke Dir, Thea! Ja, die Haut ist…gewöhnungsbedürftig. Wie Koriander: Die einen schwören drauf, die anderen hassen sie. Ich fand’s ok, finde die knusprige Version aber besser. Ich sitze gerade an dem Bericht zu Tag 2 (da habe ich mir etwas eingebrockt *g*)…
In Asia’s 50 Best Restaurants sind vermehrt auch Kandidaten aus Singapur dabei. ‘Burnt’, ‘Corner House’ und ‘Tippling Club’ kann ich bestens empfehlen. Mit ‘Rhubarb’ und ‘Gunther’s’ gibt es auch andere Top Kandidaten.
Übrigens, in einem Land mit 50 Jahren Geschichte darf man nicht zu viel Authentizität erwarten, sonst wird man enttäuscht. Aber in Duxton Hill (inkl Tanjong Pagar Road & Tras Street) gibt es wahrscheinlich das noch schönste Quartier um Abends zu Essen.
Enjoy Singapore!
Hello! Danke Dir für die Tipps, am Freitagmittag bin ich im Tippling Club. Bin schon gespannt. Ich wohne 2 Gehminuten von Duxton Hill entfernt und bin davon angetan…ansonsten sehe ich das wie Du, ich bin nicht mit überzogenen Erwartungen hergekommen. Ein Land, das in den 70ern die Wandlung beschlossen hat und radikal durchzieht, verliert viel “heritage”. Trotzdem ist es spannend, interessant und gut. Ich genieße die Zeit hier.
Hallo Uwe,
das klingt nach einer sehr spannenden Erfahrung und einer wirklich tollen Reise. Ich wünsche Dir ganz viel Spaß und natürlich jeden Menge kulinarische Eindrücke, die Du hoffentlich zurück mit nach Deutschland bringst und hier nach und nach auch in Deinen tollen Rezepten und Gerichten verarbeitest – ich bin sehr gespannt auf Einflüsse aus Singapur! ;)
Liebe Grüße,
Jannik