„Uwe, das ist einer unser besten Gänge, wenn nicht der beste Gang“ ruft mir Stefan entgegen, als mir Felix den Teller reicht.

Viel schon habe ich in diversen Berichterstattungen von dem Gericht gehört und bin daher sehr gespannt, was mich gleich geschmacklich erwartet.

Der vierte Gang des Menüs mit dem Motto „vollreif & vergehen“ ist vorläufiger Höhepunkt einer Umami-Klimax, die seit dem Kohlrabi-Gericht stetig an Intensität zugenommen hat. Nach dem Kohlrabi folgte Topinambur, danach die Kohl-Consommé mit Ente (darüber hatte ich schon in meinem ersten Artikel berichtet).

Und nun: Stör, jenes majestätisch anmutende Tier aus der Familie der Knochenfische, der primär im Meer lebt und zum Laichen in Süßwassergewässer zurückschwimmt. Das Sosein bezieht den Stör von einem Anglerverein in herausragender Qualität, schlachtet die Fische direkt nach der Anlieferung mit der Ike-Jime-Methode selbst, um sie danach ein paar Tage abzuhängen und reifen zu lassen.

Nach dem Filetieren – was jeden Tag auf’s Neue passiert – und Temperieren des Filets wird der Stör kurz vor dem Servieren mit einem Bunsenbrenner abgeflämmt, leicht gesalzen und direkt auf den Teller gesetzt.

Dazu gibt es Grünkohl, der gerade Saison hat. Thomas brät den Kohl scharf in Rapsöl an, gibt, ähnlich wie beim Endivien-Gemüse, Zwiebeln hinzu und schmeckt den Grünkohl mit Salz und Pfeffer ab.

Die eigentliche Magie passiert aber in der Sauce: einem Dashi-Sud aus Algen und getrocknetem fränkischen Saibling, den Felix anstelle von Bonito-Flocken, also Thunfisch, verwendet.

Felix belässt es aber nicht bei Wasser, Saibling und Algen, sondern mixt schwarzen Knoblauch unter den Dashi. Das bringt eine schöne, dunkle Farbe, geschmacklich eine angenehme Süße und mehr Volumen.

Den eindrücklichsten geschmacklichen Kick bekommt die Sauce aber durch die Bindung. Ganz getreu dem Motto „eine Speise mit sich selbst würzen“ verwenden Felix und Thomas frische Fischleber vom Stör, die sie im Thermomix unter den Dashi heben und die Sauce damit binden. Das Ergebnis: noch mehr Geschmack, noch mehr Umami, noch mehr Feuerwerk im Mund.

Nachdem die Sauce angegossen ist (ein Fondant-Trichter ist dafür ein wirklich nützliches Werkzeug), sorgt ein wenig Rauchöl für den finalen Touch.

Dafür brennt Felix gute Birnenholzspäne im Kugelgrill an und legt diese glühend in kaltes Öl. Die rauchigen Noten sowie süßen ätherische Öle des Holzes, durch die Hitze gelöst, gehen in das Öl über.

Meine Erwartungen wurden mit diesem Gang mehr als erfüllt – ich genieße es in den folgenden Tagen, immer wieder einen Löffel mit Dashi, ein Eckchen Stör und ein Fitzelchen Grünkohl zu erwischen. Stark!

Die Saftbegleitung: Apfel und Grünkohl

Stefan arbeitet für die Herstellung von Säften oft mit einer Mischung aus reifen und unreifen Früchten. Letztere bringen Säure, erstere die Süße. In diesem Fall bringt wilder Winterapfel – den das Team im Wald erntet – die Säure, der Saft vollreifer Äpfel die Süße.

Aus dem Grünkohl wird im Thermomix ein feines Püree. Dieses vermischt Stefan mit dem Apfelsaft und schmeckt alles mit wenig Salz ab.