Spricht Pâtissier Stefan von Brot, dann leuchten seine Augen, er strahlt, gestikuliert, die Informationen sprudeln nur so aus ihm heraus. Jeder kann sehen, dass hier pure Leidenschaft am Werk ist, dass Stefan für gutes Brot brennt.

Täglich backt Stefan vier große Laibe, die im Rahmen der Speisenfolge nicht nur zu den Gängen sondern als eigenen Gang zwischen Prolog und dem Start des Menüs höchstpersönlich den Gästen präsentiert.

Dann schnappt er sich eines der großen schwarzen Tabletts, das große doppelt geschliffene Brotmesser, setzt einen Laib Brot auf das Tablett, klemmt sich dieses unter den Arm und beginnt, Brot und Butter die Bedeutung beizumessen, die dieses großartige Lebensmittel verdient.

Im Gastraum stellt er das Tablett auf ein kleines Tischchen, das von jedem Platz gut eingesehen werden kann. Ein Spot richtet seinen Lichtkegel nun genau auf das Brot, es leuchtet im relativ dunklen Raum, es liegt da wie auf dem sprichwörtlichen Präsentierteller.

Die Gäste sollen sich Zeit nehmen für ein Lebensmittel, dem heutzutage in der meist industriellen Herstellung immer weniger Zeit gewidmet wird. Die Gäste sollen hautnah erleben, wie wertvoll ein handwerklich gut gemachtes Brot ist, wie gut es schmeckt, wie gut es riecht, wie die Kruste beim Schneiden kracht, wie gut es schmecken kann, wenn man sich nur die entsprechende Zeit dafür nimmt.

Stefan erklärt, dass es in Summe etwa 65 Stunden dauert, bis aus einem Sauerteigansatz ein fertiges Brot geworden ist, dass er, je nach Jahreszeit, mit Teigzutaten variiert, wie er seinen Sauerteig auch im letzten Sommerurlaub überall hin mitgenommen und täglich gehegt und gepflegt hat, redet über Teigführung, über den Zusammenhang von Temperatur und die Entwicklung der Hefen, wie er den fertigen Teig zunächst dämpft, um ihm dann bei gesteigerter Temperatur eine ordentliche Kruste zu verpassen. Und darüber, wie gern er einen echten Holzbackofen hätte.

Die Gäste folgen seinen Ausführungen gebannt, das Wasser läuft bereits im Munde zusammen, bis Stefan endlich das Messer an den Brotlaib setzt. Krachend rauscht die Schneide durch die Kruste, trennt die großporige Krume und das Brot in gleichmäßige Stücke. Diese wandern in Holzschalen auf die Tische, wo hungrige Hände beherzt zugreifen. „Bitte überessen Sie sich nicht mit dem Brot, es folgen noch sieben Gänge!“ schallt Stefans Warnung wie ein kleines Mantra immer wieder durch den Gastraum.

„Wir möchten nicht, dass unser Brot nebenher gegessen wird“ sagt Felix Schneider. „Brot ist Kulturgut, wir wollen, dass unsere Gäste diesem Produkt, das so aufwändig in der Erstellung ist, das so gut ist, ihre volle Aufmerksamkeit widmen.“ Nirgendwo wird die Philosophie des Sosein so greifbar, so spürbar, wie beim Servieren des Brotes. „Du kannst es nur hören, wenn Du selbst leise bist“, meint Felix metaphorisch.

Alles in Butter

Gutes Brot braucht nicht viel – außer guter Butter. Und auch diese wird im Sosein selbst gemacht. Am fünften Tag meines Praktikums stehen zwei große Küchenmaschinen am Rande des Pâtissier-Postens und rühren Sahne. Fermentierte Sahne, um genau zu sein.

Fermentierte Sahne riecht käsig, intensiv, gereift. Dieses Odeur überträgt sich auf die Butter und verleiht ihr ein ganz spezielles Aroma. Um Sahne zu fermentieren gibt man etwas Joghurt zur Sahne und lässt diese Mischung etwa 48 Stunden fermentieren. Die fermentierte Sahne sollte danach nochmals 48 Stunden bei etwa 4 °C durchziehen.

Nun schlägt man die Sahne steif, rührt ab diesem Zeitpunkt mit verminderter Geschwindigkeit weiter, bis sich Buttermilch von der Butter trennt. Nun geht die Handarbeit erst richtig los: durch Waschen in kaltem Wasser und stetes Kneten und Falten entzieht man der Butter auch das letzte bisschen Buttermilch, entfernt Lufteinschlüsse und erhält eine homogene Masse, die finale Butter. Diese reift nun weitere 2-3 Tage bei 4 °C in der Kühlung, bis sie verpackt und im Kühlschrank gelagert werden kann.

Das Gute: durch den geringen Wasseranteil und die Fermentation hält die Butter sehr, sehr lange, schimmelt nicht und kann auch hoch erhitzt werden.

Leute, kauft gutes Brot!

Vor den Gästen steht nun ein kleiner schwarzer Teller, darauf liegt die wunderbar duftende Butter, daneben das frisch geschnittene, noch leicht warme Brot. Jeder, der sich Zeit für diese Delikatesse genommen, der herzhaft in das Brot gebissen hat, wird unweigerlich in den Bann des Produktes gezogen.

Es ist schade, geradezu tragisch und hochgradig bedenklich, wie ein Stück Kultur und kulinarisches Erbe Schritt für Schritt aus der Mitte unserer Gesellschaft verschwindet. Wir sind es gewohnt, beim Bäcker bis 18 Uhr Abends vor einer riesigen Auswahl an Produkten zu stehen. Mir wäre ein Bäcker, bei dem es nur eine Sorte Brot gibt, die vielleicht schon mittags ausverkauft ist, die aber dann langsam und nachhaltig produziert wurde, ohne Zusatzstoffe ohne künstliche Triebmittel, wesentlich lieber. Für ein solches Brot zahle ich gerne den doppelten oder dreifachen Preis, was immer der Bäcker braucht, um von seinem Handwerk leben zu können.

Wir haben es selbst in der Hand. Es gibt sie noch, die kleinen Bäckereien, die nicht vergessen haben, wie gutes Brot gemacht wird. Wir sollten diese Manufakturen suchen und unterstützen.

Ein Hoch auf gutes Brot!