Anfang Juli tourte ich eine Woche durch Namibia. Von meinen (kulinarischen) Erlebnissen werde ich nun in einer mehrteiligen Artikelserie berichten.

Groß wie ein Feuerball steht die Sonne über einem kleinen Hügel, eingerahmt von einer Bushaltestelle und einem Lagerhaus. Ob des Anblickes halte ich kurz inne, genieße den Moment, den kurzen Augenblick der Stille: für den Bruchteil einer Sekunde scheint es nur mich und die wärmenden Strahlen der glutroten Sonne zu geben, die Land und Leute in bezaubernde Farben tauchen. Es ist das Erste, was ich etwas übermüdet nach einem Nachtflug nach Windhoek von Afrika sehe. Es sollte aber nur der vergleichsweise bescheidene Auftakt für eine ganze Reihe fantastischer Naturschauspiele sein.

“Wir hoffen, dass ihr ein Stück Eures Herzens in Namibia zurücklasst, wenn ihr nach Hause fliegt”, sagt Michael Iwanowski bei seiner kurzen Begrüßung, „denn in Namibia sieht man das Morgen kommen und das Heute gehen“. Seit mehr als 30 Jahren bereist Iwanowski mit seiner Frau Ursula vorzugsweise den Süden Afrikas. Er hat sein Herz schon vor langer Zeit an die Schönheit des Landes, die Weite der Natur, die schnell wechselnden Landschaften und die Freundlichkeit der Menschen verloren. Sein Reiseführer für Namibia erscheint mittlerweile in der 30. Auflage, es scheint, als kenne er jeden Winkel des Landes.

Michael Iwanowski ist ein charismatischer Mensch, der viel erlebt hat, viel zu erzählen weiß und dies in einer Weise tut, die seine Zuhörer in den Bann zieht. Für meine kulinarische Tour durch das Land kann ich mir keinen besseren Reiseleiter vorstellen.

Der Nationalsport: Braai

Namibia ist auf der kulinarischen Weltkarte nicht unbedingt ein Hotspot, im Vergleich mit den Weltküchen Asiens, Perus, Italiens oder Frankreichs in der öffentlichen Wahrnehmung eher ein “Blind Spot”. Es ist wie so oft: erst wenn man genauer hinschaut, offenbaren sich die Schätze, die kleinen Köstlichkeiten, die Besonderheiten. Die Küche des Landes lässt sich kulturell zweiteilen, einmal in die sehr ursprüngliche, für europäische Gaumen eher gewöhnungsbedürftig anmutende Küche des Buschvolkes (z. B. frittierte Mopane-Raupen), sowie die Küche, die europäische Einwanderer und Kolonisten vor mehr als hundert Jahren ins Land brachten.

Die Namibianer teilen die Liebe zum Grillen, auf Afrikaans “Braai” genannt, was im Deutschen “braten” bedeutet. Ähnlich der Asado-Tradition in Südamerika ist das Grillen in Namibia ein gesellschaftliches Ereignis, im ganzen Land finden sich in vielen öffentlichen Bereichen Braaiplätze, in den größeren Städten Windhoek, Swakopmund oder Lüderitz stehen viele Händler am Straßenrand und bereiten namibisches Streetfood direkt auf einem “Braai” zu. In Swakopmund direkt am Atlantik begegnete uns sogar ein Foodtruck, der Braai- mit Barbecue-Klassikern kombinierte und daraus ein veritables Mittagsangebot schuf.

Nach unserer Ankunft fahren wir mit geländegängigen Fahrzeugen zu unserem ersten Teilziel, einer Lodge inmitten der Namib, etwa vier Autostunden von Windhoek entfernt. Schon wenige Kilometer außerhalb Windhoeks ersetzen Schotterstraßen Teer, und es wird einem klar, warum allenthalben Allradfahrzeuge das Straßenbild dominieren. Es ruckelt, es staubt, die Natur wird nicht nur sicht- sondern auch fühlbar. Namibia ist etwa dreimal so groß wie Deutschland, bei gerade einmal 2,5 Millionen Einwohnern. Ein Viertel davon lebt in den Städten, so ist es nicht verwunderlich, dass Namibia zu den am dünnsten besiedelten Gebieten der Erde gehört.

Durch die scheinbar unendlichen Weiten der Namib

Die Namib ist ist mit 80 Millionen Jahren die älteste Wüste der Welt. Sie erstreckt sich über etwa 2.000 Kilometer in nord-südlicher Richtung von der Grenze Angolas bis zum Oranje-Fluss. Auf 95.000 Quadratkilometern finden sich bis zu 400 Meter hohen Sanddünen, versteinerte Dünen, raue Gebirgslandschaften, durch Erosion schroff geschliffene Felsformationen, durch Glimmer und Salzablagerungen eher weiße, glitzernde Abschnitte sowie malerische Strände, da die Namib als eine der wenigen Küstenwüsten der Welt direkt an den Atlantik grenzt.

Unsere erste Station, die Lodge “Rostock Ritz” liegt harmonisch in Felsformationen eingebettet mitten im Nirgendwo. Egal in welche Richtung man blickt, die Weite scheint unendlich, außer der wenigen Hütten der Lodge sind keinerlei Zeichen menschlicher Zivilisation erkennbar. “Rotstock” lautete der ursprüngliche Name des Gebietes sowie der Bergkette im Norden der ehemaligen Farm, ein Buchstabe ging über die Jahre verloren, Rostock blieb übrig. Die roten Berge im Norden, rote Dünen im Süden, dazwischen silbern im Sonnenlicht leuchtende Gräser, so weit das Auge reicht. Keine Zäune oder Mauern begrenzen die Landschaft, und so sieht man viele Wildtiere, Zebras, Antilopen, viele Vögel, mit viel Glück auch Leoparden. Ich stehe auf einer kleinen Anhöhe und blicke in die Weite, spüre ein Gefühl der Demut, bin beeindruckt von der Großartigkeit der Natur und verstehe zum ersten Mal, warum so viele Menschen von der Einzigartigkeit und Schönheit Südwestafrikas schwärmen.

Wildgenuss auf Afrikanisch

Reisen macht hungrig. Kücki, der Eigentümer von Rostock Ritz, begrüßt uns auf der Veranda seiner Lodge mit einem Cocktail, dem im südlichen Afrika beliebten „Rock Shandy“ aus Limonade, Soda, Zitrone und ein-zwei Spritzern “Angostura bitters”. Der Cocktail beinhaltet nicht viel Alkohol und passt mit Eiswürfeln gekühlt perfekt zum warmen Wüstenklima. Denn obwohl Anfang Juli Winter in Namibia herrscht, liegen die Temperaturen tagsüber bei 28°C.

Namibia ist kein Land für Vegetarier. Die Menschen hier essen gerne und viel Fleisch, auf den Tellern landen oft Rind und Lamm. Deutsche Kolonisten brachten die Tiere einst auf die Farmen, um die neu gegründeten Siedlungen mit Nahrung versorgen zu können. Weitaus größerer Beliebtheit erfreut sich jedoch Wild, das in unglaublichem Reichtum vorhanden ist. Dazu zählen viele Antilopenarten wie Eland, Springbock, Gemsbock, Oryx oder Kudu, aber auch der Vogelstrauß oder das Zebra. Naturnäher geht es nicht, verbringen diese Tiere doch ihr gesamtes Leben in der freien Natur, ohne jegliche menschliche Einmischung.

Das Ergebnis ist beeindruckend: das Fleisch ist zart, weißt unterschiedlichste Geschmacksmuster und eine durchgängig hohe Qualität auf. Selten bin ich einer größeren Auswahl in besserer Qualität begegnet.

Rock Shandy

Springbock

Links: Zebra; rechts: Rauchfleisch vom Oryx mit PreiselbeerenWährend Oryx leicht säuerlich schmeckt, ohne dabei den typischen Wildgeruch zu transportieren, ist Springbock unglaublich zart, fein im Biss und der Textur. Springbock war mein Highlight, das Fleisch konnte es problemlos mit edlen Rinderstücken aufnehmen.  Eland, die größte Antilope Afrikas, verströmt nach meinem Empfinden einen sehr Wild-ähnlichen Geschmack und ist etwas fester im Biss.

Auf Rostock Ritz servierte der Küchenchef Rauchfleisch vom Oryx, angenehm im Geschmack, zart mit einer dezent würzigen Note, dazu Preiselbeeren und ein selbst gemachtes Brot. Viele Lodges backen ihr Brot für Frühstück und Abendessen selbst: der Zukauf von Backwaren lässt sich in kurzen Abständen nur schwer realisieren, wodurch kein frisches Brot auf die Tische käme. Zudem ist die Gefahr des Verderbens unter den klimatischen Bedingungen recht groß, weshalb frisch gebacken wird.

Zebra schmeckte mir am besten als Tatar, mit Apfel, Chili, Kreuzkümmel und Zitrone mariniert. Gebraten hatte es eine recht feste, faserige Textur. Die Namibianer servieren zum Braai gerne Salate, Kraut- und Karottensalat sowie Kartoffeln sind beliebt, die Zutaten dafür auch recht einfach zu beziehen und zu lagern. Ansonsten ist es in Namibia aufgrund der Klimaverhältnisse relativ schwierig, an Gemüse zu kommen, das Land ist für exotischere Sorten von Importen abhängig.

Die Themen der nächsten Namibia-Artikel

Im zweiwöchigen Rhythmus berichte ich nun von meiner Reise durch Namibia. Folgende Themen stehen dabei unter anderem auf dem Programm:

  • Braai mit Boerewors an der Skelettküste
  • Farmhaus-Küche und Rinderzucht auf Voigtland
  • Lobster, Austern und Kabeljau: Seafood aus der Walfischbucht
  • Biltong, Pumpkin Fritters, Mealie-Pap und Kalahari-Trüffeln auf der Spur

Links und Informationen

Rostock Ritz Desert Lodge
http://www.rostock-ritz-desert-lodge.com/

Die Reise ist als „Beefer Tour“ bei Iwanowski’s Reisen buchbar.

Mehr Informationen zum Reiseland Namibia finden sich auf der Webseite des Namibia Tourism Board.