Wer kennt sie nicht, die hübsch verzierten Tontöpfe, aus denen seit 1967 Speisen serviert werden? Seit 45 Jahren sind die Römertöpfe fester Bestandteil vieler Küchen. Nun ist eine iPhone-App erschienen, die speziell für die Römertöpfe entwickelte Rezepte beinhaltet. Ich habe die App auf Herz und Nieren getestet.
Zugegeben: Höre ich Römertopf, denke ich zunächst an die Küche der 80er. Ich erinnere mich an meine Großeltern, die einen Römertopf besaßen. Dann denke ich auch an eher schwere, fleischreiche Gerichte mit noch schwereren Béchamel-Saucen und an Rouladen. Ich dachte nicht an saftiges, schonend gedünstetes Gemüse, Tajine-ähnliche Kreationen oder köstliche Fischgerichte.
Tontöpfe müssen vor dem Betrieb ausführlich gewässert werden. Dabei wird durch die Porosität des Tons Wasser aufgenommen und bei Wärmeentwicklung wieder abgegeben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch das Speichern der Flüssigkeit kann das Gargut im eigenen Saft oder gänzlich ohne Zugabe von Fett gegart werden, wodurch Vitamine, Nähr- und Aromastoffe gut erhalten bleiben. Oftmals werden im Gefäß ganze Mahlzeiten bestehend aus Gemüse, Fleisch und Beilage gleichzeitig gegart – wie man es von den marokkanischen Tajine-Rezepten kennt.
Die iPhone-App von Römertopf bietet eine Sammlung von 50 Rezepten, die speziell für das Garen im Tontopf ausgelegt sind. In sechs Kategorien unterteilt finden sich Rezepte mit Fleisch, Geflügel und Fisch, zudem einige Anleitungen für die Zubereitung von Brot und Kuchen sowie leckerer Desserts. Vegetarier kommen auch auf ihre Kosten – 20% der enthaltenen Rezepte kommen ohne Fisch oder Fleisch aus.
„Römertopf steht für den traditionellen Ernährungsstil“ ist auf der Webseite zu lesen, und dieses Motto lässt sich gut auf die Präsentation der App und die Inhalte übertragen. Ein modernes Design wird gemieden, die App fügt sich wunderbar in die globale Präsentation der Marke ein: Alles sieht ein wenig angestaubt aus. Für mich Digital-Junkie mutet die App wie ein Relikt aus Anfangszeiten des Internet an – ich muss mich immer wieder an die Gesamtpräsentation der Marke erinnern – und die ist stringent.
Design und Usability
Und so verwundert es auch nicht, dass das Design eher schlicht gehalten und selbst auf die Benutzung von gelernten Standard-Apple-Elementen (Wie einer Basisnavigationsleiste) verzichtet. Nach dem Startscreen kann der Benutzer in den Rezepten alphabetisch oder über die Kategorien browsen, zudem stehen in einer Navigationsleiste Funktionen wie eine Einkaufsliste und Know-How über die Benutzung des Römertopfs zu Verfügung. Eine integrierte Suche vermisse ich ebenso wie eine Anzeigemöglichkeit der Rezepte nach Zubereitungsdauer oder Schwierigkeit.
Die Präsentation der Rezepte ist meiner Meinung nach zu komplex gelöst: Zu der bereits vorhandenen Hauptnavigation kommen noch zwei weitere Navigationsebenen, die den Bildschirm überladen und eine intuitive Benutzung erschweren. Beinahe jede Ansicht bringt neue Elemente mit sich, wodurch dem Benutzer visuelle Haltepunkte genommen werden und die Orientierung erschwert wird. Ich hätte mir hier etwas mehr grafische Führung gewünscht.
Sobald ich mich orientiert habe, ist der Konsum der Zubereitungsinformationen klar und stringent gelöst: Ohne grafischen Firlefanz werden Zutaten und Zubereitungsanleitung präsentiert, letztere passt sich automatisch an, wenn das iPhone gekippt wird, was die Lesbar- und Benutzerfreundlichkeit deutlich erhöht. Schön: Die Zutaten können direkt in eine integrierte Einkaufsliste exportiert werden, die sehr angenehm benutzt werden kann. Das „Abhaken“ eingekaufter Waren funktioniert tadellos und einfach.
Funktionen
Neben der Einkaufsliste stehen noch weitere Funktionen zur Verfügung: Rezepte können markiert, per E-Mail verschickt und auf Facebook geteilt werden. Eine Einladungsfunktion ermöglicht, Gäste direkt zum Essen einzuladen. Dabei werden gleich Informationen zum bevorstehenden Menü mitgegeben.
Zudem steht ein Portions-Umrechner zur Verfügung, der die Menge der Zutaten in tatsächlich benötigte Portionen umrechnet. Ärgerlich: Dieses Feature ist nicht – warum auch immer – für alle Rezepte verfügbar.
Rezepte
Die App beinhaltet 50 Rezepte und bietet abwechslungsreiche Ideen für Gerichte, die im Römertopf zubereitet werden können. Die Varianz reicht von Klassikern wie Coq au vin, Chateaubriand mit Sauce Bernaise oder gefüllten Weinblättern hin zu moderneren Gerichten wie Rehragout mit Schupfnudeln und Thymian, indischer Kichererbseneintopf und Tajine mit Couscous, Hähnchen und Gemüse. Besonders gut werden die Rezepte tatsächlich immer dann, wenn es orientalisch wird: Hier stimmt die Mischung aus ausgewogenen Zutaten, guter Zubereitungsmethode und vielfältigem Geschmack.
Jedes Rezept wird anschaulich durch mindestens ein Foto gezeigt, welches auch den ganzen Bildschirm ausfüllt und Appetit auf mehr macht. Es ist schade, dass die Bilder zumeist durch die vielen Navigationsmöglichkeiten überdeckt werden und so nicht voll zur Geltung kommen.
Die Rezepte lassen sich gut nachkochen. Die Angaben erscheinen mir schlüssig und haben im Feldversuch auch gut funktioniert. Die Schritte in der Zubereitungsanleitung sind gut erklärt und in einer vernünftigen Reihenfolge, so dass ein effektives Arbeiten möglich ist. Die Zeitangaben sind realistisch. Besonders schön finde ich, dass sowohl die Zubereitungs- als auch die Garzeit angegeben ist und man so keine böse Überraschung fürchten muss.
Ich habe zwei Rezepte daraus gekocht, zum einen die oben angesprochene Tajine mit Couscous, Hähnchen und Gemüse und zum anderen einen Nachtisch – klassische Dampfnudeln mit Vanillesauce. Mir hat sehr gut gefallen, dass ich alle Zutaten gleichzeitig in einem Topf garen konnte. Ich hatte zunächst etwas Sorge, ob der Garpunkt bei allen Zutaten erreicht wird und muss gestehen, dass mein Hühnchen knusprig und das Gemüse noch nicht zu weich waren, was mich sehr überrascht hat.
Pro und Contra
Fazit
Die Römertopf-App liefert eine gute Auswahl an Rezepten für eine spezielle Garmethode. Besitzer eines Römertopfes werden hier sicher fündig werden und die ein oder andere Inspiration und Anregung erhalten. Die App ist auch für Personen geeignet, die gerade erst einen Römertopf erworben haben: Die vielen Tipps und Tricks erleichtern die ersten Gehversuche mit dem Tontopf ungemein. Trotz jeder Traditionstreue könnte die App etwas moderner gestaltet sein, um auch Interesse bei einer jüngeren Zielgruppe zu wecken.
[sws_yellow_box box_size=”600″] Wichtiger Hinweis Apps werden nach bestem Wissen und Gewissen getestet. Auch wenn ein Test beauftragt wird bedeutet dies nicht automatisch ein gutes Ergebnis! Die Beurteilung erfolgt objektiv nach festgelegten Bewertungskriterien. [/sws_yellow_box]
Einen Römertopf habe ich, aber kein I-Telefon. Aber den Römertopf kann ich auch ohne App bedienen. Am liebsten am Sonntag im Winter. Da schmeisst man einfach viele leckere Sachen in den Topf, schiebt diesen in den Ofen, schmeisst sich mit einem guten Buch aufs Sofa und heizt mit dem Backofen quasi noch die Wohnung. Und abends gibt’s als Belohnung fürs Nichtstun ein feines Schmorgericht. So machen wir Schweizer das ;-)
Hallo Uwe, machst Du jetzt öfter App-Rezensionen? Das fände ich toll, denn so viele Koch-Apps findet man nicht als Test….Ich habe einen Römertopf und werde mir die App dann gerne mal ansehen.
@Wilde Henne: Hehe, kann ich nachvollziehen! Für den ein oder anderen Neuling ist die ein oder andere Anregung sicher ganz nett. Ich mag das auch total gerne, einen Topf voll zu machen und dann einfach zu warten – während die Düfte durch das Haus strömen…
@Frederik: Danke für Deinen Kommentar! Ja, ich denke ich werde hin und wieder eine App vorstellen. Als Digital-Junkie benutze ich auch die ein oder andere :)
Ich finde es gut das der gute alte “Römertopf” mit in die Welt der “Apps” aufgenommen worden ist und damit nicht in Vergessenheit kommt, sollte aber dann auch kreativ richtig angepasst werden. Die Rezession finde ich toll und sehr informativ geschrieben und das Gericht mit dem Hühnchen ala “Tajine” super. Genau das ist es ja, dass im guten alten Römertopf auch leckeres aus der Welt der Tajine gekocht werden kann. Muss ich doch mal wieder meinen aus dem Keller holen abstauben und einsetzen, aber ohne App, das Buch “Tajine” wartet. Liebe Grüße Ingrid